Seit ich vor ca. 20 Jahren den Film Koyaanisqatsi sah, war ich fasziniert von Zeitrafferaufnahmen. Der Film erschien 1982 nach 7 Jahren Produktionszeit und schaffte es, durch eine andere Wahrnehmung der Zeit dem Zuschauer einen ganz neuen Blick auf die Welt zu eröffnen.
Mittlerweile kennt man Zeitrafferaufnahmen von vorbeifliegenden Wolken oder aus dem Boden schießenden Pflanzen aus unzähligen Werbeclips, Musikvideos, Dokumentationen und Spielfilmen. Die Google-Video-Suche nach “timelapse” (Zeitraffer) ergibt 49.200.000 Ergebnisse. Bis vor kurzem waren Timelapses oder “Stop-motions” die einzigen Möglichkeiten, kostengünstig mit einer Einsteiger-Spiegelreflexkamera 4K-Filme aufzunehmen, und so gibt es mittlerweile einen Massenmarkt von Hobbyfilmern und -fotografen für spezielles Zubehör wie motorisierte Dollys, mit deren Hilfe sanfte Kamerafahrten bei Zeitraffer-Clips möglich sind.
Wie entsteht eine Timelapse?
Ein Film ist im Prinzip eine Reihe von Fotos, die in einer Frequenz von 24 bis 30 Bildern pro Sekunde geschossen und in der gleichen Frequenz hintereinander abgespielt werden. Bei einer Timelapse wird nur noch ein Bild pro Sekunde oder weniger aufgezeichnet, aber mit 24 bis 30 Bildern pro Sekunde abgespielt.
Leider haben die meisten Kameras - warum auch immer - keine Intervallfunktion in ihrer Software integriert, so dass Du wahrscheinlich einen Intervall-Timer brauchst, um Bilder automatisch in einem einstellbaren Zeitintervall zu schießen. Ausserdem brauchst Du ein Stativ und ein einfaches Videoschnittprogramm wie iMovie, in welches Du die Einzelbilder importieren kannst um eine Filmsequenz zu erstellen.
Es ist gar nicht so einfach, sich bei der Aufnahme für die richtige Frequenz zu entscheiden, so dass die Bewegungen in der Timelapse nicht zu schnell oder zu langsam sind.
Ein paar grobe Richtwerte zur Orientierung:
Passanten: ca. alle 1 – 5 Sekunden ein Bild
Vorbeiziehende Wolken: ca. alle 2 – 10 Sekunden
Sonnenaufgang / Sonnenuntergang: ca. alle 5 – 15 Sekunden
Wandernde Schatten: ca. alle 10 – 60 Sekunden
Motion Blur
Wenn Du z.B. alle 10 Sekunden ein Bild mit einer Belichtungszeit von z.B. 1/100 Sekunde schießt, werden alle Ereignisse, die in den fast 10 Sekunden zwischen den kurzen Belichtungen geschehen, nicht aufgezeichnet. Dadurch entstehen abrupte Übergänge zwischen den Einzelbildern. Der Film bekommt einen ruppigen, leicht abgehackten Look, der in Hollywoodfilmen manchmal für hektische Action-Szenen eingesetzt wird. Normalerweise sind wir von Hollywood aber einen flüssigen, weichen Look gewöhnt. Den bekommst Du durch eine möglichst lange Belichtungszeit. In Filmen ist die Belichtungszeit traditionell ca. die Hälfte der Zeit zwischen den Einzelaufnahmen, bei 25 Bildern pro Sekunde also eine Belichtungszeit von 1/50 Sekunde. Bei schnellen Bewegungen entsteht dadurch Bewegungsunschärfe (Motion Blur), die wir als angenehm empfinden. Auch vorbeiziehende Wolken bekommen bei einer Belichtungszeit von bspw. 2 Sekunden Motion Blur, aber bei Tageslicht brauchst Du dazu einen ND-Filter, am besten mit 1000facher Verlängerung der Verschlusszeit.
Zeitrafferfilm aus meinem Italienurlaub 2017
Im September 2017 wanderte ich für 10 Tage die wundervolle Amalfiküste bei Neapel entlang bis nach Capri und nahm dabei immer wieder Material auf um zuhause daraus einen Film zu schneiden. Leider sieht man dem Ergebnis nicht wirklich die Mühe an die drin steckt. Ich verschätzte mich oft bei der Geschwindigkeit der Wolken und wählte die falsche Aufnahmefrequenz. Dadurch wurde die Nachbearbeitung teils sehr fummelig und oft wünschte ich mir, ich hätte mir noch mehr Gedanken bei der Bildkomposition gemacht. Aber es ist eine schöne Erinnerung an einen sehr erholsamen Trip nachdem ich eine wichtige Hürde in meinem Leben genommen hatte.